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Abrechnungspotenziale: Kein Honorar mehr verschenken

In Zeiten gestiegener Kosten und stagnierender Honorare kämpfen viele Zahnarztpraxen aktuell um ihre finanzielle Stabilität. Doch werden bereits alle Potenziale ausgeschöpft, um dem entgegenzuwirken? Dieser Beitrag enthüllt die größten Abrechnungspotenziale und gibt einen Überblick über die wichtigsten Ansätze, Behandlungsleistungen auch heute noch angemessen honoriert zu bekommen.

von Dr. Amelie Ackemann
31.08.2023

Gebiss auf Euroscheinen
© Foto: Gina Sanders / stock.adobe.com
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Der Fokus dieser Fortbildung liegt auf der privaten zahnärztlichen und zahntechnischen Abrechnung. Doch damit gelten die Tipps jedoch keineswegs nur für Privatpatienten, sondern auch für alle gesetzlich Versicherten, die eine Behandlung über das ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Maß hinaus wünschen. Welche Regeln dabei wann und wo gelten, wird im Folgenden berichtet.

Im zahnärztlichen Bereich gilt bei der privaten Abrechnung grundsätzlich die Gebührenordnung für Zahnärzte (kurz GOZ). Die GOZ legt die Vergütung der zahnärztlichen Leistungen für Privatversicherte und der von gesetzlich versicherten Patienten selbst übernommenen Leistungen fest. Das Besondere an der GOZ ist, dass es sich nicht um eine starre Preisliste handelt, sondern das Honorar über den Steigerungsfaktor in einem gewissen Rahmen und nach bestimmten Regeln verändert werden kann.

Um das Honorar dem Schwierigkeitsgrad anzupassen, besteht die Möglichkeit, den sog. Steigerungsfaktor zu nutzen. Der 2,3-fache Satz ist für eine "durchschnittlich" schwierige Behandlung definiert. Bei zeitaufwendigen oder schwierigen Behandlungen kann innerhalb des Gebührenrahmens bis zum 3,5-fachen Satz gesteigert werden. Es muss im Nachhinein lediglich eine angemessene Begründung in der Rechnung genannt werden.

Doch welche Möglichkeiten gibt es, wenn auch der 3,5-fache Satz nicht ausreicht?

Da der Punktwert, der als Grundlage für die Preise in der GOZ dient, erstaunlicher- und bedauerlicherweise seit 1988 unverändert bei 11 Pfennig liegt, wird immer häufiger nötig, auch über den 3,5-fachen Satz hinaus zu steigern. Glücklicherweise ist das auch möglich und wird nur aus Unwissen oder Respekt vor der zusätzlichen Aufklärung des Patienten von vielen (noch) nicht genutzt.

Da der "normale" Gebührenrahmen bei zahnärztlichen Leistungen nur bis zum 3,5-fachen Faktor reicht, wird ab einer Steigerung über den 3,5-fachen Satz eine sog. abweichende Vereinbarung benötigt. Diese Vereinbarung ist nach § 2 Abs. 1 der GOZ "nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Zahnarztes schriftlich zu treffen. Sie muss neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem vereinbarten Steigerungssatz und dem sich daraus ergebenden Betrag auch die Feststellung enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist."

good to know--

GOZ: Grundsätzlich beinhaltet die GOZ einen Paragrafenteil und das Gebührenverzeichnis, in dem die verschiedenen zahnärztlichen Leistungen aufgeführt sind. Jede dieser Leistungen ist durch eine eigene Gebührenziffer und eine vorab definierte Punktzahl gekennzeichnet. Die jeweilige Punktzahl multipliziert mit dem Punktwert ergibt dann den Gebührensatz der entsprechenden Leistung.

Grundsätzlich ist bei Anwendung einer abweichenden Vereinbarung sogar keine Begründung mehr notwendig. Den Patienten unterstützt es jedoch bei der Kostenerstattung, wenn dennoch eine Begründung auf der Rechnung angegeben wird. Besonders bei der Steigerung über dem 3,5-fachen Faktor lohnt es sich, den Patienten transparent über die Gründe für die Honorarsteigerung und mögliche Vorteile oder einen Mehrwert, den er erhält, aufzuklären. Die meisten Patienten verstehen, dass wir für eine Leistung nicht dasselbe Honorar wie 1988 erhalten können und uns der Gesetzgeber in der GOZ die Preisanpassung nur indirekt über die Steigerungsfaktoren ermöglicht. Nur im Schmerz- oder Notfall darf die Behandlung nicht von der Steigerung über dem 3,5-fachen Satz abhängig gemacht werden.

Kurz gesagt: Die Steigerung von Honoraren spielt eine wichtige Rolle, wenn eine angemessene Vergütung gewährleistet und die finanzielle Stabilität der Praxis sichergestellt werden soll.

Keine Leistungen mehr verschenken

Ein weiterer Punkt, an dem viel Honorar im wahrsten Sinne des Wortes verschenkt wird, sind Leistungen, die zwar erbracht, jedoch aus Unwissen nicht abgerechnet werden. Meist liegt dies daran, dass entsprechende Leistungen in der gesetzlichen Versicherung nicht oder nur weniger häufig abrechenbar sind und diese Abrechnungsregeln dann 1:1 in die privatzahnärztliche Abrechnung übernommen werden.

Hier eine kleine Auswahl häufig vergessener oder zu selten abgerechneter GOZ-Leistungen bei Privatpatienten:
  • Die 3290 (Wundkontrolle) und die 3300 (Nachbehandlung) sind in gleicher Sitzung abrechenbar, soweit sie beide durchgeführt wurden.
  • Bei Kindern oder Bezugspersonen von Patienten kann im Falle der Notwendigkeit zusätzlich die Ä4 (Erhebung der Fremdanamnese) berechnet werden.
  • Die 0010 (eingehende Untersuchung) ist so oft wie notwendig ansetzbar, wird häufig jedoch aus Unwissen nur maximal 2-mal pro Jahr berechnet.
  • Die 0065 (optisch-elektronische Abformung) ist auch mehrfach je Quadrant abrechenbar, wenn innerhalb einer Behandlung mehrere verschiedene Scans desselben Quadranten notwendig sind (z. B. bei Implantatabformungen: 1. Emergenzprofil, 2. mit Implantatpfosten).
  • Die 0080 (intraorale Oberflächenanästhesie) kann 1-mal je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich abgerechnet werden.
  • Die Ä5 (symptombezogene Untersuchung) als regelmäßige Verlaufskontrolle
  • Die 2030 (besondere Maßnahme beim Präparieren oder Füllen) ist bei Privatpatienten in Präparationssitzungen häufig auch 2-mal je Sitzung abrechenbar: nämlich beim Präparieren und Füllen, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich.
  • Wird eine Restauration finiert oder poliert, ist statt der 4030 (sk, Beseitigung von scharfen Zahnkanten, störenden Prothesenrändern usw.) die wesentlich besser honorierte 2130 (Kontrolle, Finieren/Polieren einer Restauration in separater Sitzung) abrechenbar.
  • Die 2390 (Trepanation eines Zahns) darf bei der privaten Wurzelkanalbehandlung auch an vitalen Zähnen berechnet werden, außer es handelt sich bereits um eine provisorische Deckfüllung.
  • Statt der 4005 (Erhebung mindestens eines Gingival- und/oder eines Parodontalindex, z. B. des Parodontalen Screening Index) kann bei Privatpatienten in der Befundungssitzung auch die umfangreichere und genauere 4000 (Erstellen und Dokumentieren eines Parodontalstatus) durchgeführt und abgerechnet werden. Dies ist 2-mal jährlich möglich.
  • Auch häufig vergessen: Die 4060 (Kontrolle nach Entfernung harter und weicher Zahnbeläge oder professioneller Zahnreinigung, pro Zahn) ist bei Patienten für die Kontrolle und ggf. Nachreinigung abrechenbar, wenn die Patienten in der vorherigen Sitzung eine professionelle Zahnreinigung (1040) erhalten haben.

Neue Leistungen korrekt formulieren und kalkulieren

Immer häufiger werden in zahnärztlichen Praxen Leistungen erbracht, die noch nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommen sind. Glücklicherweise gibt es auch für diese Leistungen eine Möglichkeit, sie trotzdem zu erbringen und auch abzurechnen. In § 6 Abs. 1 ist geregelt, dass "Selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden können". Die Leistungen nennen sich dann Analogleistungen.

Für die Abrechnung einer Analogleistung bestehen bestimmte Regeln. Die erbrachte Leistung muss verständlich beschrieben und der Bezug zur entsprechenden bestehenden Leistung mit dem Wort "entsprechend" gekennzeichnet werden. Als Gebührenziffer wird die Ziffer der Leistung eingetragen, auf die sie sich bezieht, dahinter wird ein kleines "a" gesetzt.

Auf welche bestehende Leistung man sich dabei bezieht, ist nicht festgelegt. Es kann also frei kalkuliert werden, welches Honorar man für eine Leistung benötigt, und entsprechend diesem Honorar eine passende vorhandene GOZ-Leistung ausgewählt werden. Unterstützung bei der Suche nach der passenden Leistung erhält man durch verschiedene digitale Abrechnungshilfen mit sog. "Analogrechnern". Über die Website der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) steht zusätzlich ein Katalog selbstständiger zahnärztlicher analog zu berechnender Leistungen kostenfrei per Download zur Verfügung.

Beispiele für Analogleistungen (entnommen aus der Liste der BZÄK)

  • Computergestützte Auswertung von Situationsmodellen zur Diagnose oder Planung der optisch-elektronischen Abformung
  • Entfernen alten, definitiven Wurzelfüllmaterials (bei Revisionen)
  • Entfernung nekrotischen Pulpengewebes
  • Indirekt angefertigtes Kurzzeitprovisorium (Tragedauer unter 3 Monaten)
  • Präendodontischer Aufbau zur sterilen Offenhaltung der Kanaleingänge
  • Verschluss einer Perforation bei weit offenem Apex oder bei Via falsa/Apexifikation, z. B. mittels "mineral trioxide aggregate" (MTA)
  • Die neuen PA-Leistungen gemäß S3-Leitlinie
good to know--

Es lohnt sich, dem Patienten bei Vorlage des Therapieplans die Analogleistungen kurz zu erklären. Dies kann dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden, und dabei helfen, einem eventuellen unberechtigten Widerspruch seitens der Versicherung entgegenzutreten. Eine transparente Kommunikation mit dem Patienten über die Abrechnung schafft Klarheit und Vertrauen.

Abrechnung von Laborleistungen, die am Behandlungsstuhl ­erbracht werden

Sehr häufig werden zahntechnische Leistungen am Behandlungsstuhl erbracht, ohne diese zu berechnen. Diese Leistungen werden Chairside-Leistungen genannt. Hier einige Beispiele:

  • Zahnfarbbestimmung
  • Zusätzliche Hochglanzpolitur einer provisorischen Versorgung → empfohlen im Frontzahngebiet
  • Intraorale und extraorale Fotografie zu therapeutischen und/oder diagnostischen Zwecken, je Foto
  • Keramik, ätzen und konditionieren in einem Vorgang
  • Freilegen der Präparationsgrenze/Markieren der Präparationsgrenze (auch in "computer-aided design/computer-aided manufacturing" [CAD/CAM])
  • Umarbeiten eines konfektionierten Löffels zu einem individuellen Löffel

Doch wie rechne ich diese Leistungen ab?

Die private Abrechnung zahntechnischer Leistungen und damit auch die Berechnung der Chairside-Leistungen erfolgt nach der Bundeseinheitlichen Benennungsliste (BEB). Das Besondere: Die BEB selbst enthält keine Preise, sondern stellt lediglich eine Kalkulationshilfe dar. Nach § 9 Abs. 1 der GOZ können "die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen berechnet werden, soweit diese Kosten nicht nach den Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses mit den Gebühren abgegolten sind". Das macht diese Liste besonders interessant, denn sonst ist selten eine echte betriebswirtschaftliche Preiskalkulation möglich.

Neue Laborleistungen anlegen und kalkulieren

Neue Laborleistungen lassen sich in den meisten Praxisverwaltungsprogrammen sehr leicht anlegen. Wir betrachten es am Beispiel der Chairside-Leistung "Keramik, ätzen und konditionieren in einem Vorgang"

So werden neue Leistungen in der BEB angelegt:
  1. Überlege, welche Leistung hinzugefügt werden soll. In diesem Beispiel wird die Leistung "Keramik, ätzen und konditionieren in einem Vorgang" neu hinzugefügt.
  2. Dann wird im Laborleistungsverzeichnis des Praxisverwaltungsprogramms auf "Neue Laborleistung hinzufügen" geklickt. Frage hier ggf. bei der Firma des Programms nach, falls der Menüpunkt nicht zu finden ist.
  3. Jetzt können für die neue Leistung eine BEB-Ziffer (Nummer), eine Bezeichnung (Name) und ein Preis angegeben werden.

Die BEB-Ziffer kann entweder frei bestimmt oder aus einer vorhandenen Liste übernommen werden (hier die BEB 1997). Jede Gebührenziffer kann jedoch nur mit einer bestimmten zahntechnischen Leistung verknüpft sein.

Doch wie wird der Preis für die neu angelegte BEB-Position ­kalkuliert?

Wie oben bereits erwähnt ergibt sich der Betrag aus den tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten. Zur korrekten Preisermittlung nach § 9 GOZ werden mindestens folgende Werte benötigt:

  • Die Kostenminute des Eigenlabors oder bei Chairside-Leistungen des Zahnarztes/der Zahnärztin (ergeben sich aus Personalkosten, Raumkosten, Abschreibungskosten, Verbrauchsmaterial usw.) → hier kann ggf. der Steuerberater/die Steuerberaterin helfen.
  • Die Planzeit/den Zeitaufwand (die Planzeit wird in 1/100 min angegeben und ergibt multipliziert mit 1/100 den Zeitaufwand in Minuten, häufig sind in Abrechnungshilfen Planzeiten zur Orientierung angegeben)
  • Die Anzahl der erbrachten Leistungen
  • Zusätzlich, falls nötig: Rüstzeit, Materialkosten, Risikozuschlag

Ein Beispiel

BEB 5402 - "Keramik, ätzen und konditionieren in einem Vorgang"

  • Zeitaufwand ca. 5 min (Planzeit: 500)
  • Kostenminute des Labors oder des Behandlers bei Chairside- Leistungen: 5,00 €
  • Anzahl der erbrachten Leistungen: 1×

Berechnung:

5 €/min × 5 min × 1 = 25 €
Kostenminute × Zeitaufwand × Anzahl der erbr. Leistungen =  Gesamtbetrag

Im Anschluss kann der Preis dann mit in das Praxisverwaltungsprogramm übernommen werden, um auch diese Leistung künftig nicht mehr zu verschenken.

Ihr habt kein Honorar zu verschenken? Eine To-do-Liste zum direkten Durchstarten:
  • Markiere auf der bei der BZÄK kostenfrei erhältlichen Analogliste alle Leistungen, die in der Praxis bereits erbracht oder künftig erbracht werden sollen.
  • Pflege diese Analogleistungen dann im Praxisverwaltungsprogramm ein und beziehe sie auf eine passende und entsprechende bereits vorhandene GOZ-Leistung, die einen angemessenen Preis widerspiegelt.
  • Sammle alle Chairside-Leistungen, die in der Praxis erbracht und noch nicht berechnet werden, und pflege auch diese im Praxisverwaltungsprogramm mit betriebswirtschaftlich kalkulierten Preisen in die BEB ein.
  • Passe die Standardsteigerungsfaktoren an, um täglich Zeit zu sparen. Zum Beispiel, dass die Befunderhebung (0010) standardmäßig mit dem 3,5-fachen Steigerungsfaktor berechnet wird. In vielen Praxisverwaltungsprogrammen können auch passende Begründungsvorschläge (ich empfehle 3-4 pro GOZ-Leistung) zu jeder Gebührenziffer hinterlegt werden, sodass auch diese nicht immer wieder neu eingetippt, sondern lediglich angeklickt werden müssen.

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