Kleiner Knubbel, fulminante Folgen

Zu den Top Ten der weltweit auftretenden Tumorerkrankungen gehören immer noch die Mundhöhlenkarzinome. Aufgrund ihrer unspezifischen Symptome suchen die Patienten oft erst sehr spät einen Arzt auf. Doch ist gerade die Früherkennung der Schlüssel für gute Heilungschancen appelliert Prof. Dr. Dr. Max Heiland von der Charité Berlin.

von Dr. Alexandra Wolf,
12.10.2020

Ausgabe 05/2020 wipra20516
© Foto: Prof. Dr. Dr. Max Heiland
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WIR in der Zahnarztpraxis: Was legt die Vermutung nahe, dass man ein Mundhöhlenkarzinom (Mundkrebs) hat?

Prof. Dr. Dr. Max Heiland: Ein Karzinom ist eine Gewebsvermehrung. Meistens bemerkt der Patient plötzlich eine Stelle im Mund, die vorher nie da gewesen ist oder sich zusätzlich verändert. Diese Gewebsproliferation kann sich als Geschwulst, Knubbel oder auch als Krater in der Mundhöhle äußern. Es kann sein, dass dadurch auch Zähne betroffen sind und locker werden. Oder die Prothese passt nicht mehr, da sich das Schleimhautrelief verändert hat. Mitunter kann es bluten oder die Sprache ändert sich, wenn der Mundboden betroffen ist. Weiterhin kann die Zungenbewegung eingeschränkt sein, sofern der Tumor im Rachen liegt oder das Schlucken fühlt sich anders an.

Sollte der Mundhöhlenkrebs im Bereich des Oberkiefers liegen, können vermehrt Nasennebenhöhlenentzündungen auftreten. Oft empfindet der Patient ein Druckgefühl in den Nebenhöhlen wie bei einer starken Erkältung. Es kann auch sein, dass die Wange nach außen hin anschwillt. Von extraoral kann eine Schwellung im Halsbereich sichtbar werden. Das tritt meist bei einer Streuung des Mundhöhlenkrebses in die Halslymphknoten auf.

WIR: Ist das schmerzhaft?

Heiland: Erst einmal nicht. Hauptcharakteristikum ist, dass die Veränderung meist nicht weh tut. Das ist ein grundsätzliches Problem für die Patienten, daher ist eine Früherkennung so wichtig.

WIR: Wie kann ein Mundhöhlenkarzinom festgestellt werden?

Heiland: Irgendjemand fällt es zunächst auf - dem Patienten selbst, seinem privaten Umkreis oder dem Zahnarzt. Wichtig ist, dass jede Schleimhautveränderung, die besteht und sich nicht zurückbildet, abgeklärt werden muss. Wenn der Verdacht besteht, dass etwas Tumoröses dahintersteckt, wird eine Gewebeprobe entnommen, eine sogenannte Biopsie. Dabei wird in örtlicher Betäubung ein Stückchen Gewebe herausgeschnitten und zur Abklärung beim Pathologen eingeschickt.

WIR: Wie häufig tritt Mundhöhlenkrebs auf?

Heiland: Krebs im Kopf-Hals-Bereich ist weltweit der sechsthäufigste bösartige Tumor. In Deutschland erkranken jedes Jahr ca. 14.000-15.000 Patienten daran. Vorwiegend sind Männer betroffen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 60 Jahren.

WIR: Gibt es verschiedene Arten?

Heiland: Ja. Je nachdem, von welchen Zellen der Tumor ausgeht, unterscheidet man verschiedene Arten. Die meisten Mundhöhlenkarzinome sind sogenannte Plattenepithelkarzinome. Als Plattenepithel werden die obersten Zellschichten bezeichnet, die viele äußere und innere Organe im Körper bedecken. Die Mundschleimhaut ist vorwiegend mit diesen Zellen ausgekleidet. Die Tumoren können aber auch von Drüsengewebe ausgehen, z. B. von Speicheldrüsen. Das sind sogenannte Adenokarzinome. Von Weichteilen hervorgerufene Entartungen bezeichnet man als Sarkome. Sollte der Knochen das auslösende Gewebe sein, werden diese Tumoren Osteosarkome genannt. Sie sind eher selten, zu 80-90% treten in der Mundhöhle Plattenepithelkarzinome auf.

WIR: Wer ist besonders gefährdet?

Heiland: Besonders gefährdet sind ältere Männer, die in der Vergangenheit stark geraucht und viel hochprozentigen Alkohol konsumiert haben. Bisher waren vorwiegend Männer betroffen, doch zunehmend sind es auch Frauen.

WIR: Ist so etwas heilbar?

Heiland: Prinzipiell ja. Es hängt jedoch davon ab, in welchem Stadium das Karzinom diagnostiziert wurde. Grundsätzlich gilt: Je früher die Erkrankung entdeckt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Wer zweimal jährlich zur Kontrolluntersuchung den Zahnarzt aufsucht und zur professionellen Zahnreinigung geht, hat gute Chancen, dass jede Veränderung der Mundschleimhaut im einsehbaren Bereich bis zur Zäpfchen-Mandel-Region im Rachen idealerweise rechtzeitig erkannt wird. Denn wenn der Krebs früh festgestellt wird, gestaltet sich die Behandlung schonender und die Heilungsaussichten sind besser.

Das Interview führte Dr. Alexandra Wolf

Lesen Sie den kompletten Artikel unter www.wir-in-der-praxis.de/fobi/mundhoehlenkarzinom.

Interview

Prof. Dr. Dr. Max Heiland, Ärztlicher Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Charité Berlin

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