Kommunikation bei Menschen mit komplexer Behinderung

In der zahnärztlichen Behandlung von Menschen mit komplexer Behinderung ist die Kenntnis geeigneter Kommunikationsmethoden eine wesentliche Voraussetzung zur Vertrauensbildung zwischen Behandlungsteam und Patient.

von Dr. Marc Auerbacher, München
12.07.2018

Nach dem Autounfall im Rollstuhl
© Foto: cirquedesprit / Fotolia
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Mit einer Kommunikation auf Augenhöhe sind verschiedene Kommunikationsaspekte gemeint. Im sprichwörtlichen Sinne bedeutet es, dass sich der Behandler nicht stehend vor dem im Rollstuhl sitzenden Patienten positioniert, sondern im Gespräch mit diesem ebenfalls eine sitzende Haltung einnimmt. Wann immer möglich, sollte der Mundschutz im Gespräch abgenommen werden, zur Begrüßung ist dies unabdingbar. Die Kommunikation muss in einer für den Patienten verständlichen Art und Weise erfolgen. Das Behandlungsteam muss sich dafür an den kommunikativ-sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten des Patienten orientieren. Dabei kann die infrage kommende Kommunikationsform durchaus über verschiedene Sinneskanäle stattfinden. Bei Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung hat die Verbalsprache meist eine ungeordnete Priorität [1]. Häufig findet bei diesen die Kommunikation über alternative Kommunikationskanäle, wie z. B. Gesichtsausdruck bzw. Mimik, Gesten und/oder Berührungen bzw. Körperkontakt, statt.

Körperhaltung und Auftreten

Einige Kommunikationsregeln sollten stets beachtet werden:

  • Für eine angenehme Gesprächsdistanz sollte der Behandler dem Patienten nicht frontal, sondern leicht schräg gegenüber sitzen.
  • Arme sollten nicht verschränken und Beine nicht überkreuzen.
  • Körperhaltung: offen und dem Patienten zugeneigt; signalisiert Zuwendung
  • ruhiges und entspannes Auftreten
  • Störungen, wie z. B. Telefonanrufe, vermeiden
  • Ausreichend Zeit für das Gespräch einplanen.
  • Körperkontakt, wie eine Hand sanft auf der Schulter des Patienten, kann das Vertrauensverhältnis intensivieren.

Unterstützende Kommunikation

Eine eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit des Patienten ist keine Rechtfertigung für ein übertriebenes paternalistisches Verhalten seitens des Zahnarztes. Vielmehr ist dieser dazu angehalten, sich auf die Ebene des Patienten mit einer schweren geistigen Behinderung einzulassen, um auch die nichtverbalen Äußerungen verstehen zu können. Voraussetzung hierfür ist selbstverständlich, dass bereits mehrere Zahnarztbesuche stattgefunden haben, um ein gegenseitiges Kennenlernen überhaupt zu ermöglichen. Es bedarf viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung, um die verbalen und nonverbalen Äußerungen des Patienten zu verstehen. Um Fehlinterpretationen und Projektionen zu vermeiden, kann deshalb eine kritische Überprüfung durch eine dem Patienten vertraute Person hilfreich sein. Da das passive Sprachverständnis bei Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung meist größer ist als das aktive Sprechvermögen, sind genaue Erklärungen und Beschreibungen der Handlungsabläufe und der zum Einsatz kommenden Instrumente und Materialien äußerst wichtig. Dabei können Kenntnisse der leichten Sprache zu einem besseren Verständnis auf der Seite des Patienten beitragen. Abstrakte Fachausdrücke, wie z. B. "Professionelle Zahnreinigung", sollten mit einfachen Erklärungen wie "die Zähne sauber putzen" beschrieben werden. Ein durch "Karius und Baktus" verursachtes "Loch im Zahn" umschreibt die Diagnose Karies. Negationen wie z. B. "das tut gar nicht weh", sollten vermieden und stattdessen durch positive Formulierungen, wie "das schaffst du" ersetzt werden.

Ein grundlegendes menschliches Bedürfnis nach Kontakt und Kommunikation sowie das Recht auf Selbstbestimmung und Partizipation haben entscheidend zur Entwicklung der Unterstützenden Kommunikation beigetragen. So stehen zahlreiche elektronische und nichtelektronische Hilfsmittel zur Verfügung, die es Menschen mit komplexen Behinderungen ermöglichen, sich mitzuteilen und auszudrücken. Speziell für den Zahnarztbesuch entwickelte Wort- und Bildkarten (Bildaustausch-Kommunikationssystem) können auf das bevorstehende Ereignis vorbereiten. Wünsche und Bedürfnisse des Patienten vor und während der Behandlung lassen sich dadurch besser kommunizieren. Eine weitere Methode zur Kommunikationsunterstützung sind Talking-Mats-Karten. Diese sind in Form von Kartensätzen oder einer App erhältlich und können beispielsweise im Rahmen der Schmerzdiagnostik hilfreich sein.

Letztendlich geht es bei der unterstützenden Kommunikation darum, dass der Patient erfahren soll, dass er die Aufmerksamkeit auf sich lenken kann, dass er mit seiner Kommunikation die Behandlungsabläufe beeinflussen sowie Bedürfnisse und Emotionen ausdrücken kann. Er soll auch die Möglichkeit bekommen, Fragen zu stellen, die dann auch beantwortet werden können. Eine erfolgreiche Kommunikation, auf welcher Ebene auch immer sie stattfindet, kann entscheidend dazu beitragen, dass sich der Patient in der Behandlung wohlfühlt und dieses Erleben einen positiven Einfluss auf die Kooperationsbereitschaft nach sich zieht.

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