E-Zigarette: Mit Dampf-Antrieb aus der Sucht?

Endlich mit dem Rauchen aufhören – das ist oft leichter gesagt als getan. Viele aufhörwillige Raucher und Raucherinnen versuchen, per E-Zigarette die Sucht loszuwerden. Aber taugt das Gerät dafür?

von Von Marco Mrusek
03.03.2023

Mit der E-Zigarette von der Tabakzigarette wegkommen? Die Rechnung geht oft nicht auf.
© Foto: Wlodzimierz / stock.adobe.com
Anzeige

Es ist ein Laster, dem Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger frönen und es war vor Kurzem, nämlich zu Jahresbeginn, sicherlich wieder einmal Gegenstand vieler guter Vorsätze: das Rauchen. 19 Millionen Menschen in Deutschland haben beim letzten Mikrozensus angegeben, gelegentlich oder regelmäßig zu rauchen, und nicht wenige von ihnen spielen mit dem Gedanken, dieses Laster sein zu lassen. Wie diesen Menschen am besten bei ihrem Vorhaben zu helfen ist, dafür hält dieS3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“evidenzbasierte Optionen zur Erleichterung des Rauchausstiegs parat, etwa zu Kurzinterventionen, Medikamenten oder Unterstützungsangeboten.

Ein Hilfsmittel – zumindest wird es von manchen so angesehen –, dessen Nutzen von Rauchern immer wieder erfragt wird, ist die E-Zigarette. Rund zehn Prozent der aufhörwilligen Raucher versuchen damit, den Rauchausstieg zu schaffen, geht aus der jüngsten Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA) hervor. Die E-Zigarette soll aufhörwillige Raucher bei ihrem Vorhaben unterstützen und sie weniger Schadstoffen aussetzen – so jedenfalls wird das Gerät beworben.

Dabei ist es alles andere als unstrittig, ob es tatsächlich einen Beitrag zur Rauchentwöhnung leistet oder ob die E-Zigarette Aufhörwilligen nicht doch eher einen Bärendienst erweist, nämlich eine Sucht gegen eine andere eintauscht. Der Diskurs ist lebhaft: Befürworter verweisen auf die vermutete geringere Schadstoffexposition beim Dampfen im Vergleich zum Rauchen und die vermeintliche Hilfe beim Loskommen von der Verbrennungszigarette. Kritiker hingegen weisen auf einen möglichen Dauerkonsum und Langzeitschäden hin sowie auf die Gefahr, vom Dampfen zusätzlich zum Rauchen abhängig zu werden. Was taugt die E-Zigarette also als Hilfsmittel zur Rauchentwöhnung?

Cochrane-Review belegt Nutzen

Zunächst einmal: Der Nutzen der E-Zigarette, um von der herkömmlichen Verbrennungszigarette wegzukommen, ist – zumindest auf dem Papier – nicht von der Hand zu weisen. So haben sich zum Beispiel erst Ende letzten Jahres die Autoren eines aktualisierten Cochrane Reviews die verfügbare Evidenz zur Rauchentwöhnung mit der Unterstützung von E-Zigaretten angesehen. Ausgewertet wurden dafür 78 Studien mit mehr als 22.000 Teilnehmern, allein 40 Studien davon waren randomisiert-kontrolliert (Cochrane Db Syst Rev 2022; online 17. November).

Das Ergebnis der Cochrane-Autoren: Mit hoher Sicherheit lässt sich schlussfolgern, dass es mit einer E-Zigarette mit nikotinhaltigem Liquid besser als mit einer Nikotinersatztherapie (NRT) gelingt, mindestens sechs Monate lang nicht zu rauchen. Die relative Wahrscheinlichkeit (RR) dafür lag bei E-Zigaretten-Nutzern bei 1,63 im Vergleich zu Nutzern von Nikotin-Kaugummis oder -Pflastern, wie sie etwa in der S3-Leitlinie empfohlen werden. Anders ausgedrückt: Von 100 Aufhörwilligen schaffen mit E-Zigarette vier Personen mehr den Rauchstopp als mit NRT – nämlich zehn von 100 Aufhörwilligen mit der E-Zigarette versus sechs mit NRT. Diese Zahlen verdeutlichen, wie schwer es sein kann, einen Rauchausstieg auch nur über sechs Monate durchzuhalten.

Die Crux an der Übersichtsarbeit: Es wurde lediglich untersucht, ob es die Probanden mit der E-Zigarette schafften, von der Verbrennungszigarette über einen Zeitraum von sechs Monaten abstinent zu bleiben. Nicht untersucht wurde hingegen, ob die Aufhörwilligen irgendwann auch von der E-Zigarette wegkommen oder ob die Nikotinsucht fürderhin über die Dampfinhalation befriedigt wird.

Kritiker gehen sogar so weit zu sagen – so war es etwa bei der jüngsten Deutschen Konferenz für Tabakkontrolle im vergangenen Dezember beim Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg zu hören –: Die E-Zigarette ist ein gutes Instrument, um vom Rauchen wegzukommen, aber schlecht geeignet dafür, um vom Nikotin wegzukommen.

Konsequenzen bleiben nebulös
Eine ähnliche Einschätzung kommt von Matthias Urlbauer, einem Kollegen an der Klinik für Innere Medizin 3 der Universitätsklinik Nürnberg mit dem Schwerpunkt Pneumologie. Urlbauer ist Sprecher der Arbeitsgruppe Tabakprävention und -entwöhnung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP).

Wie bewertet er die E-Zigarette als Unterstützung für einen Rauchausstieg? „Die E-Zigarette hält, anders als Nikotinersatzprodukte, das Raucherritual aufrecht. Möglicherweise erschwert sie dadurch den Ausstieg vom Dampfen oder Rauchen“, kritisiert Urlbauer im Gespräch mit der Ärzte Zeitung. Der Arbeitsgruppensprecher erinnert daran, dass eine Langzeitgefährdung durch den regelhaften Dampf-Konsum nicht ausgeschlossen werden kann – „dafür ist die E-Zigarette zu kurz auf dem Markt.“ In Deutschland sind E-Zigaretten seit etwa 2008 erhältlich.

Zwar sei das Dampfen im Vergleich zum Rauchen den aktuell verfügbaren Daten zufolge weniger schädlich, allerdings seien für eine abschließende Bewertung noch nicht alle Informationen auf dem Tisch: „Wenn man jeden Tag sehr große Mengen dieses Dampfes inhaliert, werden wir möglicherweise in zehn Jahren neue Schädigungsmuster in den Lungen der Konsumenten vorfinden, die wir bisher nicht absehen können“, gibt Urlbauer zu bedenken.

Das sagt die Leitlinie

Die E-Zigarette soll gemäß der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ nicht zur Entwöhnung empfohlen werden (Empfehlungsgrad: Klinischer Konsenspunkt). Die Leitlinienautoren ziehen in der Erläuterung zur Empfehlung mehrere Studien zur Unterstützung einer Rauchentwöhnung mit E-Zigarette sowie Studien zur Gesundheitsschädigung durch einen Dual Use heran.

Die Autoren kommen zu dem Schluss: „Da die Studienlage keine belastbaren Hinweise auf eine Schadensminderung bei Dual Use gibt, sollte die E-Zigarette nicht zur Reduktion des Zigarettenkonsums angeboten werden.“

Zum Thema der seit 2016 ebenfalls erhältlichen Tabakerhitzer schreiben die Leitlinienautoren, dass in Studien zwar eine geringere Schadstoffexposition im Vergleich zu herkömmlichen Zigaretten beobachtet wurde, jedoch ähnlich wie bei den E-Zigaretten bisher Langzeitstudien fehlen. Die Autoren kommen zu dem Schluss: „In der Zusammenschau verfügbarer Daten kann bisher keine Empfehlung zum Einsatz von Tabakerhitzern zur Schadensminderung abgeleitet werden.“

Die Leitlinie mit der Registernummer 076 - 006 ist gültig bis Dezember 2025 und wurde federführend von der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie erarbeitet.

Für die DGP stellt die E-Zigarette aber noch aus mindestens drei anderen Gründen keine hilfreiche Option für einen Rauchausstieg dar: Die Mediziner kritisieren die zwei Punkte Dual Use und Dauerkonsum sowie einen falsch verstandenen Glauben der Schadensminimierung, auch Harm Reduction genannt.

Problem Dual Use: Das angesprochene erste Problem beim Dampfen nennt sich Dual Use. Gemeint ist damit, dass Dampfer zusätzlich zur E-Zigarette herkömmliche Verbrennungszigaretten konsumieren, also über Rauchen und auch Dampfen Nikotin konsumieren. Aus der Befragung DEBRA geht hervor, dass dieser zweigleisige Konsum in Deutschland die häufigste Nutzung der E-Zigarette darstellt: 78,3 Prozent der befragten E-Zigaretten-Konsumenten gaben an, zusätzlich zum Dampfen auch zu rauchen. Diese Raucher sind also von der Tabakzigarette nicht losgekommen, sondern haben ihrer Nikotinsucht eine weitere Konsumart, nämlich das Dampfen, hinzugefügt.

Die Vorstellung der Dampfer, dass dabei weniger konsumierte Zigaretten mit einer geringeren Gesundheitsschädigung gleichzusetzen seien, ist ein Irrglauben: „Wir wissen, dass bereits eine Tabakzigarette pro Tag das Herzinfarktrisiko deutlich erhöht und ein bis vier Zigaretten täglich das Lungenkrebsrisiko deutlich erhöhen – das ist also keine Alternative!“, erläutert Urlbauer.

Problem Dauerkonsum: Das zweite Problem beim Dampfen ist die fortwährende Verwendung der E-Zigarette nach einem gelungenen Rauchstopp. Hier ist bekannt, dass die E-Zigarette im Gegensatz zu NRT oder Medikamenten zur Unterstützung der Tabakentwöhnung von der Mehrheit der aufhörwilligen Raucher dauerhaft genutzt wird. Ein Grund dafür ist, dass inhaliertes Nikotin das Hirn der Konsumenten deutlich schneller erreicht als jenes Nikotin, das über NRT aufgenommen wird. Dadurch ergibt sich ein hohes Risiko für eine dauerhafte Abhängigkeit, kritisiert die DGP in einem Positionspapier zum Umgang mit der E-Zigarette aus dem letzten Jahr. Bei diesen Konsumenten sind also aus abhängigen Rauchern abhängige Dampfer geworden.

Fehlannahme Harm Reduction: Wenn es um diejenigen Raucher geht, die vom Rauchen zum Dampfen wechseln, wird als Pro-Argument für einen solchen Wechsel oft von Befürwortern der E-Zigarette der Begriff Harm Reduction angeführt. Gemeint ist hiermit, dass eine geringere Gesundheitsschädigung durch die E-Zigarette im Vergleich zur Tabakzigarette bei denjenigen Konsumenten zu begrüßen sei, die es nicht schaffen oder wollen, komplett mit dem Nikotinkonsum aufzuhören.

Bei diesem Punkt kritisiert die DGP die Annahme, weniger schädlich könne mit harmlos gleichgesetzt werden: Wer anstelle von Verbrennungszigaretten ausschließlich E-Zigaretten konsumiert, wird zwar wahrscheinlich weniger Giftstoffen ausgesetzt sein, aber eine Verringerung der Exposition gegenüber Giftstoffen führe nicht notwendigerweise zu einer deutlich geringeren Schädigung der Menschen, heißt es im Positionspapier weiter.

Solange noch die Langzeitdaten zur Schädlichkeit der E-Zigarette fehlten, könne das Gerät auch nicht zur Entwöhnung empfohlen werden, betont die Gesellschaft. Besonders Patienten mit COPD, Asthma oder anderen Lungenerkrankungen sollten E-Zigaretten meiden: Das Inhalieren entzündungsfördernder toxischer Substanzen und Aromen durch die E-Zigarette berge das Risiko eines fortdauernden Schadens an den Bronchien und am Lungengewebe, schreibt die Gesellschaft.

Beim Thema Harm Reduction müsse außerdem Sorge getragen werden, dass der Begriff nicht die Bemühungen zur Nikotinentwöhnung untergrabe. Daran erinnert auch Dr. Claudia Bauer-Kemeny, Leiterin der Abteilung Prävention und Tabakentwöhnung am Universitätsklinikum Heidelberg, im Gespräch mit der Ärzte Zeitung. Bauer-Kemeny ist stellvertretende Sprecherin der DGP-Arbeitsgruppe zur Tabakprävention und -entwöhnung. Sie verweist auf die Herkunft des Ausdrucks Harm Reduction: „Der Ursprung des Begriffes liegt ja in der Drogentherapie. Dieses Konzept eins-zu-eins auf Rauchen zu übertragen funktioniert nicht!“, sagt sie.

Kritisch sollte hier auch im Auge behalten werden, dass der Begriff von der Tabakindustrie als zentrales Marketinginstrument genutzt werde, um ein falsches Gefühl von Fortschritt zu vermitteln, kritisiert Bauer-Kemeny: „Es wird vonseiten der Tabakindustrie versucht, die Botschaft zu platzieren: ‚Wenn ihr E-Zigaretten oder Tabakerhitzer benutzt, tut ihr euch etwas Gutes und seid auf der sicheren Seite!‘“

Damit wird versucht, einen Wechsel vom Rauchen zum Dampfen auf eine Stufe mit einem kompletten Rauchstopp zu stellen. Das ist aber Unsinn, denn nur ein vollständiger Rauch- und Dampf-Stopp trägt zu einer Erholung der Gesundheit bei. Man dürfe eben nicht vergessen, betont die Heidelberger Medizinerin, dass die menschliche Lunge nur für saubere Atemluft geschaffen sei und nicht für mehr oder weniger stark belastete Atemluft. Ob man nun Zigaretten-Rauch oder E-Zigaretten-Dampf inhaliert: „Auch eine geringe Menge an Giftstoffen schadet nichtsdestotrotz und erhöht das Risiko für mehrere Krankheiten.“

Quelle: Ärzte Zeitung

Kommentar schreiben

Die Meinung und Diskussion unserer Nutzer ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie im Sinne einer angenehmen Kommunikation auf unsere Netiquette. Vielen Dank!

Pflichtfeld *