Mikroplastik kann Zellmembranen schädigen

Zu den schädigenden Effekten von Mikroplastik auf den menschlichen Organismus wird intensiv geforscht. Zwei Physiker haben jetzt geprüft, was passiert, wenn Mikroplastik auf Erythrozyten trifft.

27.08.2021

Hier noch mit bloßem Auge zu erkennen: kleine und kleinste Plastikteilchen. Zu welchen Schäden die Aufnahme von Mikroplastik im menschlichen Organismus führt, wird derzeit erforscht.
© Foto: Pcess609 / stock.adobe.com
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Mikroplastik kann Zellmembranen mechanisch destabilisieren. Das haben jetzt zwei Physiker dokumentiert (PNAS 2021; online 29. Juli). Nach ihren Beobachtungen dehnt Mikroplastik die Membranen humaner Erythrozyten und verringert dadurch deren mechanische Stabilität stark.

„Aktuell wird über eine mögliche toxische Wirkung von Mikroplastik auf menschliche Zellen diskutiert“, erinnert Dr. Jean-Baptiste Fleury, Universität des Saarlandes, in einer Mitteilung zur Veröffentlichung der Studie. Mikroplastik sei unmittelbar nach der Aufnahme in lebende Organismen a priori nicht tödlich. Wissenschaftliche Erkenntnisse weisen aber deutlich darauf hin, dass Mikroplastik zu Entzündungen in Zellen führen kann, wie die Universität des Saarlandes in ihrer Mitteilung in Erinnerung ruft. Die Möglichkeit einer Entzündung einer Zellmembran durch einen rein physikalischen Effekt werde jedoch von den allermeisten Studien völlig ignoriert, so Fleury in der Mitteilung.

Membran dehnt sich

Tatsächlich ist aus physikalischer Sicht eigentlich keine Wirkung zu erwarten. Eine Zellmembran hat im Grundsatz eher Ähnlichkeit mit einer Flüssigkeit als mit festem Gewebe. „Überraschenderweise haben wir jedoch beobachtet, dass sich die Membranen von künstlichen Zellen und roten Blutkörperchen in Gegenwart von Mikroplastik dehnen“, so der Experimentalphysiker weiter. „Anscheinend entzündet sich die Membran der roten Blutkörperchen des Menschen spontan.“

Der theoretische Physiker Dr. Vladimir Baulin, Universität Rovira i Virgili in Tarragona in Spanien, hat ein mathematisches Modell entwickelt, wie genau Plastikpartikel auf Zellmembranen wirken, berichtet die Uni in ihrer Mitteilung. „Vereinfacht gesagt, hat das Modell von Vladimir Baulin vorhergesagt, dass jedes Partikel einen Teil der Membranfläche verbraucht, was dazu führt, dass sich die Membran um ein Partikel zusammenzieht. Dieser Effekt führt dann zwangsläufig zu einer mechanischen Dehnung der Zellmembran“, erklärt Fleury.

Kunststoffpartikel werden durch kontinuierliche Diffusion bewegt

Die beiden Physiker Fleury und Baulin haben mit Zellmembran-Modellen gearbeitet, die mithilfe der Mikrofluidik-Technologie hergestellt worden waren. Dabei beobachteten sie auch, dass die Kunststoffpartikel auf der Zellmembran nie an einer Stelle blieben, sondern durch kontinuierliche Diffusion bewegt wurden, wie die Universität des Saarlandes berichtet. Die beiden Forscher vermuteten, dass diese Diffusion die Ursache für die anhaltende Spannung auf der Zelloberfläche ist und die mechanische Relaxation der Zelle entgegen der ursprünglichen Annahme damit verhindert wird.

Dieser experimentelle Nachweis des theoretischen Modells lasse Rückschlüsse auf die Allgemeingültigkeit dieses Mechanismus zu, der auf eine Vielzahl menschlicher Zellen oder Organe übertragen werden kann, schlussfolgern die Wissenschaftler. Kleinste Plastikteilchen von mikrometrischer Größe seien überall präsent, erinnert die Universität des Saarlandes in ihrer Mitteilung: in den Ozeanen, in der Luft, im Schnee des Himalaya; sie seien sogar schon in der menschlichen Plazenta gesichtet worden. (eb)

Quelle: www.aerztezeitung.de

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