Schönheits-Operationen: Nicht alles, was möglich ist, ist auch sinnvoll

Schönheitsoperationen sind keine Heilbehandlung, sondern ärztliche Dienstleistungen, mit denen Ärztinnen und Ärzte sehr sorgsam umgehen sollten. Das betonen Ärzte bei einer Veranstaltung der Ärztekammer Nordrhein.

von Von Ilse Schlingensiepen
06.03.2023

Ärzte, die ästhetische Eingriffe vornehmen, sollten auch „Nein“ sagen können: Das war eine Botschaft auf einer Veranstaltung der Ärztekammer Nordrhein.
© Foto: New Africa / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)
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Ärztinnen und Ärzte, die Schönheitsbehandlungen und ästhetische Behandlungen vornehmen, sollten nicht nur die erforderlichen fachlichen und organisatorischen Voraussetzungen mitbringen, sondern auch eine wichtige Eigenschaft haben: Sie müssen „Nein“ sagen können, findet Professorin Jutta Liebau, Chefärztin der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie am Florence-Nightingale-Krankenhaus in Düsseldorf.

Vorsicht angesagt sei bei unrealistischen Erwartungshaltungen, psychischen Überlagerungen oder Dysmorphophobie. Hier müsse der Behandler seine Fachkompetenz beweisen und gewünschte Eingriffe gegebenenfalls ablehnen. „Weniger ist oft mehr, und oft hilft der gesunde Menschenverstand“, sagte Liebau beim Online-Symposium der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) zum Thema „Selbstoptimierung – Ethische und juristische Implikationen“.

In der Schönheitschirurgie und der ästhetischen Chirurgie sei viel möglich – aber eben nicht alles auch sinnvoll, betonte sie. „Der Schüssel zum Erfolg liegt in der Indikationsstellung.“

Der Begriff der Schönheitschirurgie ist nicht geschützt. „Er kommt in der Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer nicht vor.“ In der Praxis bedeutet dies, dass jeder Arzt im Prinzip alles tun kann und es nennen kann wie er will, „außer plastische und ästhetische Chirurgie, das ist dem Facharzt vorbehalten“.

Bei ästhetischen Behandlungen gelten dieselben Anforderungen wie bei kurativen

Für ärztliche Behandlungen, die in den ästhetischen Bereich fallen und nicht krankheitsbedingt sind, müssten dieselben ethischen Anforderungen gelten wie bei der Behandlung und Verhütung von Krankheiten, sagte Liebau. Das gelte für Aspekte wie die Beratung, die Aufklärung, das Prinzip des „nil nocere“ oder das Wahren von Facharztstandards. „Regulierende Instrumente sind hierbei Kammern und Fachgesellschaften.“

Für Ärztekammern sei es gar nicht so leicht, „grenzwertigen Aktivitäten“ auf die Spur zu kommen, berichtete ÄKNo-Vizepräsident Bernd Zimmer. „Leider kriegen wir eine Vielzahl der Dinge überhaupt nicht mit.“

Manche Anbieter ließen für Eingriffe wie das Aufspritzen von Lippen oder Brustvergrößerungen Ärzte aus nicht-europäischen Ländern für ein Wochenende einfliegen. Sie würden nicht in Kliniken tätig, sondern in Studios. An diese „Eintagsfliegen“ sei schwer heranzukommen.

„Uns erreichen dann Klagen von Kolleginnen und Kollegen, die für die Nachbehandlung einzustehen haben“, sagte Zimmer. Er appellierte an die Kammermitglieder, die ÄKNo zu informieren, falls ihnen solche Fälle bekannt werden.

ÄKNo hat Handreichungen für Patienten erarbeitet

Für Patientinnen und Patienten, die sich für Schönheitsoperationen oder ästhetische Behandlungen interessieren, hat die ÄKNo im Jahr 2019 gemeinsam mit Fachgesellschaften eine Handreichung entwickelt. Sie soll eine Orientierung geben und bei der Wahl seriöser Anbieter helfen.

Die Menschen müssten sich über die Motive im Klaren sein, warum sie eine Änderung ihres Äußeren wollen, erläuterte Zimmer. Zudem sollten sie erkennen können, ob die Behandler wirklich die richtige Qualifikation haben.

Ärztinnen und Ärzte sollten immer berücksichtigen, in welcher psychischen Situation sich jemand befindet, der einen schönheitschirurgischen Eingriff wünscht und sich die Frage stellen: „Wird der Patient damit wirklich zufriedener sein?“ Das liege auch in ihrem eigenen Interesse. Ist der oder die Operierte mit dem Ergebnis unzufrieden, drohen Streit über die Abrechnung, Verfahren vor der Gutachterkommission oder Klagen.

„Operieren kann, wenn es schief geht, zu einem erheblichen rechtlichen Problem werden“, warnte Zimmer. Das gelte insbesondere dann, wenn den Menschen nach der Aufklärung nicht genügend Zeit gelassen wurde, über die vorgeschlagenen Maßnahmen nachzudenken – bei ästhetischen Eingriffen kein seltenes Phänomen.

Keine Behandlung von Patienten, sondern eine Dienstleistung für Kunden

Bei solchen Eingriffen handele es sich um Interventionen bei Gesunden, sie seien damit ein Gegenbegriff zur Therapie, sagte Professor Dominik Groß, Leiter des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen. Statt um Therapie gehe es um eine Wunsch erfüllende Medizin. „Das sind ärztliche Maßnahmen und Eingriffe, die auf Wunsch eines Patienten durchgeführt werden, für die es keine Indikation gibt und die keinen positiven Ansatz haben“, erläuterte er.

Da das Gegenüber des Arztes nicht krank ist, könne man auch nicht von Patienten reden. „Streng genommen haben wir es hier mit einem Kunden zu tun, der eine ärztliche Dienstleistung möchte, nicht mit einem leidenden Menschen, der eine Heilung wünscht.“

Die Medizin wird für immer mehr Dinge zuständig

Groß sieht eine Reihe von Indikatoren für eine zunehmend Medikalisierung der Gesellschaft. „Der Bereich, in dem die Medizin zuständig ist, wird plötzlich immer größer.“

Die körperdysmorphe Störung gehöre zu den Dingen, die gegen eine Wunscherfüllung durch den Arzt sprechen, betonte er. Es geht um Menschen, die subjektiv unter einem Mangel leiden, der von anderen gar nicht wahrgenommen wird. Die Menschen empfinden sich als hässlich und hegen den Wunsch nach einer Operation. Ist diese erfolgt, fällt ihnen ein anderer Makel an ihrem Körper auf. „Eine Störung der eigenen Wahrnehmung des Körpers ist eine klassische Kontraindikation für eine Wunscherfüllung.“

Quelle: Ärzte Zeitung

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